Zögerlich blickte Sandra den Druiden an, verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, ehe sie sprach: "
Ich grüße euch, werter Sylvaner. Ich bin Sandra Nolan, Flüchtling des untergegangen Kontinents Andurien". Der mittlere Baummensch nickte verständnisvoll. "
Lasst uns nicht weiter sprechen, denn heute ist eine Nacht, um der Natur und der Mutter zu danken. Ihr, Sandra, habt uns gefunden und dürft euch uns anschließen. Lasst euren Geist frei und erkundet die Welt um euch herum auf unsere spezielle Art. Ich lade euch ein, mit uns zu feiern, mit uns die allgegenwärtige Natur zu lobpreisen.". Während er sprach, versammelten sich die übrigen Sylvaner wieder und bildeten einen Kreis. Einige klatschten eine rythmische und wilde Melodie. Die Hüterin, teils immer noch verwirrt, nickte schließlich. Bowen und Gaeren, die beiden Sylvaner neben dem Druiden schritten auf sie zu und nahmen ihr Stab und Wandergepäck ab. "
Kommt, schließt euch uns nun an.", lud sie Tenael, der Druide, abermals ein. Gaeren kehrte mit einem flachen , tellerartigen Gefäß zurück. Eine wässrige, graue und leicht leuchtende Flüssigkeit befand sich darin. Die weibliche Sylvaner reichte das Gefäß an Tenael, dieser wieder rum hielt es Sandra hin. "
Trinkt, kostet den süßlichen Saft des Lebens."
Kurzzeitig umfasste Sandra wieder ein ungutes Gefühl, doch vertrieb sie es schleunigst wieder. Sie nahm das Gefäß entgegen, dankte Tenael und führte es an ihre Lippen. Die Sylvaner im Kreis um sie herum stimmten nun eine neue Melodie an, die geisterhaften Lichter zwischen den Baumkronen flackerten schnell umher. Zug um Zug trank die Hüterin den Saft. Als der letze Tropfen ihre Lippen berührte, setzte sie das Gefäß ab und Bowen, der zwischenzeitlich zurückgekehrt war, nahm es ihr ab. Der sylvanische Druide führte dann Sandra zu den anderen Sylvaner und sie fügte sich in den Kreis an. Tief blickt der Druide ihr in die Augen und lächelt sie an. Dann begab er sich in die Mitte des Kreises und führte die Zeremonie fort.
Der Saft zeigte währen dessen seine Wirkung. Die junge Hüterin fühlte sich freier und losgelöst von ihrem Körper. Bald schon klatschte sie mit und nicht lange dauerte es und sie konnte die Lieder mitsingen. Die dunkle Nacht um sie herum begann sich zu drehen, als das Ritual immer ausgelassener wurde, die Gesänge immer lauter und wilder. Die Welt drehte sich, Farben schienen zu verschwimmen. Helligkeit und Dunkelheit verschmolzen. Mensch und Natur trafen sich und verbanden sich. Sandra spürte die Umgebung, spürte den Boden unter ihren Füßen, spürte das Moos, das an den Bäumen wuchs, spürte die Tiere des Waldes, die sich um den Hain sammelten, spürte die Lichter am Himmel, spürte die Sylvaner um sie herum.
Kleine Wellen schlug der hellblaue See. Der Nebel des Morgens lichtete sich langsam, die ersten Sonnenstrahlen kamen hinter den fernen Gebirgsgipfeln zum Vorschein. Tenael stand neben Sandra und überblickte den See, atmete tief und bedächtig. Seine Begleiterin blieb stumm und ließ ebenfalls den Blick über die Landschaft streifen. "
Ich fühle mich freier.", sprach sie und durchdrang die Stille. Der Druide nickte und sah sie an. "
Ihr habt die Natur um euch herum auf die wohl intensivste Art und Weiße gespürt und erlebt. Es ist nicht verwunderlich, das ihr nun wieder eine engere Beziehung mit eurer Umgebung eingeht und eure Sorgen euer Herz nicht mehr umklammern." Zustimmend nickte Sandra, ehe Tenael wieder sprach: "
Nun, Sandra, nachdem ihr uns nun besser kennengelernt habt, welche Gründe gibt es noch, die euch zu uns geführt haben?"
Einige weitere Momente ließ die Kathamerin ihren Blick über den See wandern, beobachtete kurz einige Wasserläufer, die sich zum Nass begaben. Klein und dumm fühlte sie sich, als sie ihre Beweggründe für den Besuch vor Augen führte. Zwar war eines ihrer Ziele, von den Sylvanern mehr von der Natur zu lernen, sich mit ihnen auszutauschen - aber ein Bündnis mit der Stadt Adn Bashira? Wie verbohrt sie sich vorkam. Als ob dieses Volk es nötig hätte, sich hinter dicken Steinmauern zu verstecken, zusammen eine Stadt zu errichten, für die Sicherheit und den Frieden zu kämpfen... Ihr Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als Tenael eine Hand auf ihre Schulter legte. "
Sandra?", fragte er, "
Ihr müsst euch keine Gedanken machen, ob euer Vorschlag richtig oder falsch ist. Sprecht eure Worte frei heraus.". Abermals nickte sie und blickte kurz zu Boden. "
Ich bin in meiner Funktion als Ratsherrin der Stadt Adn Bashira gekommen, um euch ein Bündnis zu unterbreiten. Die Stadt ist die neue Heimat aller Flüchtlinge. Diese Stadt, dieser Bund, soll uns Schützen und die Sorge tragen, dass die Schrecken, die uns wiederfahren sind, nicht noch einmal unsere Heimat bedrohen." Sandra blickte den Druiden an und führte fort:"
Aus diesem Grund bin ich hier, euch in diesen Bund einzuladen. Ihr erhaltet einen dauerhaften Sitz im Rat, eure Stimme wird unter den Bündnispartnern gehört und beachtet. Ihr, wir, sind dazu verpflichtet, das Böse und Dunkle aus dieser Welt zu verbannen und sie zu reinigen. So frage ich euch, Druide Tenael der Sylvaner, schließt ihr euch der freien Stadt Adn Bashira an?"
Erwartungsvoll blickte die Ratsherrin den Druiden an. Seine Miene war unverändert. Es dauerte einige Momente bis er antwortete: "
Wir würden von einer Stadt, Gebäuden aus Stein und Holz nichts haben, wir würden darin keinen Vorteil finden. Wieso sollten wir diese Heimat verlassen und sei es auch nur für eine kurze Dauer?". Der Druide blickte Sandra mit einem Lächeln auf den Lippen an. "
Doch seid ihr keine gewöhnliche Person, die uns um Beistand bittet. Unsere Gemeinschaft hat in dieser Nacht viel von euch und eurer Vergangenheit gelernt. Wir wissen, welches Übel eure Welt umschlungen hält und wie verängstigt ihr seid, dass sich dies wiederholt. Wir können euch verstehen und finden es deswegen für notwendig, sich gegen die Gefahr, gegen dieses unnatürliche zu wappnen und zu schützen. Wir werden euren Bund beitreten und euch in eurem Vorhaben unterstützen. Aber nun kommt, die anderen erwarten uns bereits." Mit diesen Worten führte er Sandra zurück zum Hain der Sylvaner.