Es war fast ein Abend wie jeder andere auch. Zwei Wachen hielten ihren Dienst zu später Stunde an einem Wachturm auf einem Pfad die Schwarzberge hinauf. Am Horizont sah man, wie langsam die Sonne unterging und sich der Himmel zunächst rot färbte, bis schließlich kein Lichtschein mehr ankam und den Himmel in ein tiefes dunkelblau tauchte. Aufmerksam ging eine der beiden Wachen immer ein Stück den Weg rauf und runter, formte hin und wieder die Augen zu Schlitzen und suchte die Umgebung ab.
Plötzlich machte er auf dem Absatz kehrt und hastete zum Turm, wo sein Kumpane ihn mit groß aufgerissenen Augen anblickte: „Thoras, was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, fragte er, bevor die Wache noch den Turm richtig erreicht hatte. Völlig bleich im Gesicht deutete Thoras in die Ferne, aus der er gelaufen kam und sagte mit einem lauten Atemzug: „Merand, sieh doch mal. Dort hinten!!“, er deutete immer wieder wild gen Horizont, wo noch eben die Sonne zusehen war. „Dort, eine riesige Armee!!“
Merand schüttelte zunächst ungläubig den Kopf, als hätte Thoras ein Gespenst gesehen. Doch dann, als er selbst genauer hinblickte erkannte er es auch:
Am Horizont marschierte eine Armee auf, sie wurde von einem Augenblick zum nächsten immer deutlicher zu erkennen, es waren Untote, formiert und organisiert schritten sie voran. Thoras und Merand blickten sich erschrocken in die Augen und schluckten schwer, beiden ging derselbe Gedanke durch den Kopf: Wir haben zu lang gewartet. Jetzt sind sie doch da, die Untotenarmee!
Ehe sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnten, blickte Thoras in das blutüberströmte Gesicht Merands – in seinem Kopf steckte ein Pfeil. Doch auch für Thoras war es zu spät, vor ihm stand ein untoter Krieger, vollends ausgerüstet und schwer bewaffnet. Thoras zog sein Schwert aus der Scheide, er wollte nicht kampflos zu Grunde gehen, doch der Krieger war ihm einen Schritt voraus, mit einem kräftigen Hieb verlor Thoras seinen Kopf. Die Armee nahm wieder ihre Formation auf und schritt unbeirrt weiter. Hinter ihnen ließen sie nichts und niemanden leben.
Zur gleichen Zeit in Eryndôr:
Es war auch hier gerade die Sonne untergegangen, als nicht viel später eine elfische Wache in Richtung Mag Mell eilte, mit letzter Kraft warf sie sich einem Boten vor die Füße. Panisch beugte sich jener Bote zur Wache hinab, um nach ihm zusehen. Der Elf rang nach Luft und sprach so gut er konnte: „Die Untoten … eine riesige Armee … haben alles vernichtet … sind auf dem Weg … hier her…Rettet euch!“ Kraftlos sank der Körper des Elfen in sich zusammen und nun sah der Bote was die Untoten der Wache angetan haben. Der Korpus war mit vielen tiefen Wunden übersäht, auch steckten Pfeile in ihm. Immer wieder blinzelt der Bote mit den Augen eh er erkannte, dass kleine weiße Würmer aus den Wunden des Elfen hervor krochen. Hastig richtete er sich auf und rannte in das Dorf hinein, um alle zu warnen.
Auch Gaeyrit blieb nicht verschont:
In kleinen Trupps schritten die Untoten durch die Minen voran, auf einem Trupp folgte ein anderer, sie ließen keinen Gang, keine noch so kleine Einbuchtung aus. Der erste Trupp stieß auf eine kleine Sklavenmenge, welche einige Erze schürften. Gnadenlos stürzten sich die Krieger der Untotenarmee auf die unbewaffneten fast wehrlosen Sklaven, enthaupteten sie, ließen kein Leben übrig. Nur ein Inconnu sah die Armee früher als die anderen, nur ihm gelang es in die große Stadt zu fliehen und den Wachen zu berichten, dass auch hier die Armeen schon weit vorgedrungen sind.
In weiteren Ländern Anduriens:
In Garanien wurden die großen Truppen von schweren Sandstürmen begleitet und engten die Menschen dort ein. Die Stürme verwüsteten einige Dörfer und die Truppen ließen unbeirrt durch die Hitze am Tage oder der Kälte in der Nacht in diesen Dörfern keinen Bewohner mehr leben. Doch die Garaner hatten den Untoten gegenüber einen großen Vorteil, denn der Sand machte es den Truppen schwerer gut voran zu kommen. Auch die Größe des Landes lag den Garanern zu Gunsten. Die Untoten hatten weitere Wege, welche sie überwinden mussten und trafen dann nur auf kleinere Dörfer, sodass es ihnen schwer fiel die Armeen zu vergrößern und sich zu verbreiten.
Ein Oberhaupt einer großen Familie lies ein Boot bereit machen, dass ein Herold sich mit zwei Wachen auf den Weg nach Mithrandar machte, um dort von dem Vorfall zu berichten.
Auch vor der Natur Kathamiens kannten die Armeen kein halten. Trotz der Wälder blieben die Formationen gut erhalten. Viele Bezirke, Wachposten und Dörfer mussten aufgeben werden. Die Überlebenden der Völker wurden von der Macht, der Stärke und der Größe der Untotenarmee weit zurückgedrängt. Die Kathamer fanden in den größeren Städten zusammen und versuchten so gut es ging den Armeen zutrotzen. Sie schickten ebenso wie die Garaner einen Boten auf den Weg nach Mithrandar in die Hauptstadt, denn auch sie sollten wissen was hier vorgefallen ist.
So kam es, dass nach und nach immer mehr Boten aus den verschiedensten Ländern Anduriens, in der Hauptstadt eintrafen und ein jeder fast dieselbe Geschichte zu berichten hatte.