Waaili - Ein neuer Anfang [Nevera]

[Aestiva]

"Nimm es nur an, mein Freund. Wenn Du ein Dach über dem Kopf möchtest, werde ich mich für Dich verwenden. Die Himmlischen haben Plätze, an denen ihnen gedient wird. Raum für Gäste ist häufig vorhanden."

Der Bettler sah der Frau mit der dunkelblauen Robe und dem seltsam verzierten Umhang kopfschüttelnd hinterher und drehte dabei das Kupferstück in seinen Händen. Ein Dach über dem Kopf. Wer brauchte so was? Und dann noch bei irgendwelchen weltverbessernden Klerikern. Nein. Aber zumindest einen vollen Magen würde er haben.

Ein letztes Mal sah er der Frau hinterher, bevor er in Richtung des Wirtshauses losging. Danach dachte er nie wieder an sie.



"Ich wünschte nur, ich könnte mich erinnern." dachte Waaili bei sich. Sie KANNTE dieses Dorf. Sie wusste auch, dass es Cotswold war. In einigen Gesprächen mit seltsam vertraut wirkenden Leuten hatte sich herausgestellt, dass sie schon früher hier gelebt hatte. Auch damals bereits folgte sie Belmara, wenn sie alles glauben wollte was man ihr sagte. Obwohl… zumindest das stimmte vermutlich.

Es war nur so, dass sie sich anstrengen konnte, so sehr sie wollte… doch die Erinnerung verschwamm immer wieder einige Monate nach ihrer Hochzeit mit…

"Jarich…" murmelte sie leise.

Jarich. Ihr Ehemann. Sie wusste so wenig was aus ihm geworden war, wie sie wusste was sie selbst getan hatte in den letzten – ja was eigentlich? Wochen? Monaten? Jahren? Wo war er? War er glücklich?

Zumindest konnte sie sicher sein, dass er lebte. Noch vor ihrer Hochzeit war Jarich durch ein abgrundtief böses Wesen verführt worden und hatte sie betrogen. Nach einem harten inneren Kampf hatte Waaili ihm damals verzeihen können und war durch diese Selbstüberwindung in der Gunst der Dienerinnen Belmaras aufgestiegen. In der Folge hatten Jarich und Waaili in einem improvisierten Ritual zwei Gegenstände von Belmara segnen lassen. Sie konnten sich fühlen, egal wie weit sie voneinander getrennt waren. Jarich lebte. Doch wie und wo... das entzog sich Waaili.


Einen Moment lang erlaubte sie sich noch, ihren persönlichen Motiven und Gedanken nachzuhängen. Dann seufzte sie und berührte ihr Brustbein als wolle sie unter Ihrer Robe eine Kette oder ein Medaillon ergreifen. Ihre freundliche Miene entspannte sich und straffte sich gleichermassen.

Es gab viel zu tun. Sie war in ihrem Glauben sicherer als je zuvor.

Die Welt brauchte Belamara.

Und sie brauchte jemanden, der ihr Wort verkündete und ihr Werk tat.

Waaili war zurück.

von Nevera