Shanija n’ha Tesswa Velencia
„Es ist nicht fair, Mutter! Und das wird es niemals sein! Vater weis, dass ich genauso gut bin wie Casos! Er hat meinen Dolch gesehen! Ja, er hielt es in seinen eigenen Händen und ich brauchte nicht einmal seine Hilfe, so wie mein so hoch geschätzter Bruder! Wie kann er mich einfach zurück in die Stube schicken und mein Werk unberührt in die Esse halten auf das MEINE Arbeit zerstört wird!“ Ein leiser Schluchzer unterbricht den Redeschwall Shanijas, heiße Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre geröteten Wangen. Tesswa, ihre Mutter, hatte schon oft solche recht einseitigen Gespräche mit ihrer Tochter gehalten, im Grunde verstand sie ihre Tochter nicht.
Warum will sie nur Schmied, nein Schmiedin, werden? Was sollen die Leute von uns denken? Und erstrecht die Kundschaft die unser Leben finanzieren? Aber würde Shanija auch nur ansatzweise diese Argumente verstehen?
Wieder beschlich Tesswa das leichte Gefühl das sie sich eigentlich nur selbst belügen würde. Während sie ihre heulende Tochter tröstend in die Arme schloss, sah sie sich in der kleinen Stube um, selbst das bleiche Licht des halben Mondes reichte völlig aus, diese zu erhellen. Außer dem Bett und einem kleinen Schrank war das kleine Zimmer auch völlig leer, Mädchen brauchen auch nicht viel, hieß es, je mehr ein Mädchen besitzt um so leichter lässt sie sich von ihre täglichen Arbeit ablenken.
Was wäre wenn… schnell unterdrückte sie diesen Gedanken, nein auch Shanija wird sich früher oder später damit abfinden… abfinden?
Bilder ihrer eigenen Vergangenheit stiegen in ihr auf, dort sah sie sich durch den Wald flitzen einen selbst gebastelten Bogen um die Schulter geworfen, schon wechselte das Bild und sie sah sich weinend auf einer alten Eiche sitzend. Immer mehr und mehr Bilder schossen vor ihre Augen, Bilder die sie bisher immer verdrängt hat. Nun wurde ihr erst richtig bewusst, dass ihre Tochter sich gar nicht so sehr von ihr unterschied.
„Mutter“ die leise Stimme Shanijas riss Tesswa aus ihren Gedanken, „warum lässt er mich nicht einfach in der Schmiede mit arbeiten? Ich weis die Leute würden es nicht verstehen, aber wem kümmert das den?“ „Shanija, es geht nicht. Du bist bald eine Frau und als solche ziemt es sich nicht an der Esse zu stehen, finde dich damit ab die Küche und der Haushalt wird dein Reich sein, so lange du alleine bist.“ Fügte sie leise hinzu, innerlich sich selbst bemitleiden schüttelte sie ihren Kopf „so ist das nun mal.“
„Aber gibt es nicht einen Ort, einen Ort, an dem ich mich völlig entfalten kann? Ein Ort, und sei er noch so weit von hier entfernt, an dem ich mich den ganzen Tag in der Schmiede aufhalten kann. Ich will nicht von einen Mann abhängig sein, was ist wenn er mich eines Tages nicht mehr will…“
Nachdem Tesswa, Shanija‘s Zimmer verlassen hatte, lag sie noch lange wach in der Nacht, schon war es weit nach Mitternacht und bald würde der Morgen grauen. Von einer plötzlichen Eingebung sprang Shanija aus ihrem Bett auf und suchte einige Kleidungstücke zusammen. Leise schlich sie durch ihr Zimmer auf die Türe zu.
Als sie auf der Strasse stand, blickte sie sich noch einmal in Richtung Haus um, ich habe es tatsächlich getan, ging es ihr durch den Kopf. „Jetzt aber schnell weg, bevor Vater und Mutter aufstehen“, murmelte sie leise und schritt die Strasse Richtung Wald entlang.
Viele Wochen war sie unterwegs, doch selten war sie wirklich alleine auf der Strasse, viele Menschen zog es zu dieser Zeit nach Camalot und den umliegenden Dörfern. Eines schönen Tages im Bephis erreichte sie letztendlich das Dorf Ludlow, dort traf sie auf Alissa Devon, die Dorfansässige Schmiedemeisterin.
von Windauge